Das Biotop
Lernen in der Natur als Teil der Schulkultur

Kurzbeschrieb
Die Lernumgebung «Biotop» hat sich in den letzten zehn Jahren als fester Bestandteil der Schulkultur der Primarschule Sonnenberg in Thalwil (ZH) etabliert und im Sinne eines gesamtschulischen Ansatzes (Whole School Approach, WSA) weiterentwickelt.
Durch vielfältige Angebote wie «Biotoppausen», den Biotopeinführungskurs, ein Gartenhochbeet oder den Bienen-Workshop erhalten alle Schulklassen Zugang zum Lernort Biotop. Dabei entdecken die Schülerinnen und Schüler das Biotop nicht nur als faszinierendes Ökosystem, sondern entwickeln auch ein Bewusstsein für die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Sie werden angeregt, Werte zu hinterfragen, das Biotop aus unterschiedlichen Fachperspektiven forschend zu erkunden und erste Erfahrungen im wissenschaftlichen Arbeiten zu sammeln.
Eine aktive Rolle spielen die Schülerinnen und Schüler selbst. Im Klassen- oder Schüler/innenrat haben sie die Möglichkeit, eigene Ideen unter anderem auch für die Weiterentwicklung des Biotops einzubringen und zu diskutieren. So schlug etwa Matz im Interview vor, einen Aussichtsturm mit Ferngläsern zu errichten, um Amseln, Meisen und andere Vogelarten besser beobachten zu können. Eine gute Idee, die er im Schüler/innenrat einbringen könnte.
Bildungsziele
- Naturverständnis aufbauen und ökologische Zusammenhänge erkennen
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- Die Schüler/innen lernen das Biotop als wichtiges Ökosystem kennen (z. B. Artenvielfalt, ökologische Kreisläufe, biologische Begriffe und Konzepte).
- Die Schüler/innen erkennen wesentliche Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Tieren und ihrer Umwelt (z. B. Lebenszyklen, Artenkenntnis, Anpassung, Ernährung, Fortpflanzung).
- Die Schüler/innen stärken ganzheitlich ihr Umweltbewusstsein (z. B. Mensch-Natur-Beziehung).
- Verantwortung übernehmen und nachhaltig handeln
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- Die Schüler/innen beteiligen sich aktiv an der Pflege und Gestaltung der Lernumgebung.
- Die Schüler/innen erkennen und erleben die Wirkung und Konsequenzen ihres eigenen Handelns.
- Die Schüler/innen reflektieren ihre eigenen Werte (z. B. Umgang mit Lebewesen, Eingriffe des Menschen in die Natur).
- Wissenschaftliches und interdisziplinäres Lernen trainieren und fördern
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- Die Schüler/innen sammeln erste Erfahrungen im wissenschaftlichen Arbeiten (z. B. Fragen formulieren, Hypothesen bilden und prüfen, Ergebnisse dokumentieren und auswerten, Beobachtungsbögen entwickeln, Lupen und Mikroskope einsetzen).
- Die Schüler/innen erkunden und erleben die Lernumgebung aus verschiedenen Fachperspektiven (z. B. Fotodokumentationen, Zeichnungen, Geschichten, mathematische Aufgaben).
Besondere Stärken
- Die Natur direkt vor der Haustür
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Das Biotop liegt direkt auf dem Schulgelände und steht somit jederzeit zur Verfügung. Eine ideale Voraussetzung, um es mühelos in den Unterricht oder den Pausenalltag zu integrieren. Fest im Schulalltag verankert wird das Biotop von den Schülerinnen und Schülern als vertrauter, lebendiger Lern- und Erholungsraum geschätzt. Max aus der 4. Klasse beschreibt es so: «Das Biotop bietet mir eine tolle Abwechslung zum Unterricht. Ich kann dort Kaulquappen, Molche, Frösche und andere Tiere beobachten.»
- Mitwirkung und Mitgestaltung aller
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Ganz im Sinne des gesamtinstitutionellen Ansatzes (Whole School Approach – WSA) beschränkt sich die «Lernumgebung Biotop» nicht nur auf den herkömmlichen Unterricht in der Klasse. Die Lernumgebung hat sich über die Jahre zu einem gesamtschulischen Projekt entwickelt, welches ein motivierendes, zukunftsorientiertes Lernen, Arbeiten und Leben ermöglicht. Dabei nehmen die Schüler/innen neben Lehrpersonen, der Schulleitung, dem Hausdienst und anderen Akteuren die zentrale Rolle ein. Sie beleben, entdecken und erforschen die Lernumgebung mit grossem Engagement. Im Klassen- und Schüler/innenrat haben sie zudem die Möglichkeit, aktiv Ideen für die Weiterentwicklung des Biotops einzubringen: «Wenn ich eine Kröte in unserem Biotop wäre, wünschte ich mir noch mehr Steinplatten zum Sonnen und Asthaufen zum Verstecken», so Kieron aus der 5. Klasse, der mit seinem Vorschlag zeigt, wie genau er die Bedürfnisse der Tiere im Biotop beobachtet hat.
- Eine Lernumgebung etabliert in der Schulkultur
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Das Biotop ist nicht nur Teil des Schulgeländes, sondern wurde mittels des gesamtinstitutionellen Ansatzes fest in die Schul- und Lernkultur integriert. Eine Jahresplanung stellt sicher, dass alle Schulklassen regelmässig in die Aktivitäten rund um das Biotop eingebunden sind. Biotoppausen von Frühling bis Herbst gehören inzwischen fest zum Schulalltag. Durch die aktive Gestaltung und Nutzung ihrer unmittelbaren Umgebung entwickeln die Schüler/innen ein Verantwortungsbewusstsein für die Natur und stärken zugleich ihre Identifikation mit der Schule.
Planung und Durchführung
Die «Lernumgebung Biotop» ist fest im Schulalltag verankert. Damit alle Schülerinnen und Schüler im Verlauf des Schuljahres aktiv an den Biotop-Aktivitäten teilnehmen können, erstellt die zuständige Arbeitsgruppe zu Beginn des Schuljahres eine entsprechende Jahresplanung.
Im Folgenden wird die Jahresplanung 2024/2025 der Schule Sonnenberg exemplarisch vorgestellt und erläutert.
Übersicht Jahresplanung
- Einführung ins Biotop (alle 1. Klassen)
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Zum Schuljahresbeginn werden alle 1. Klassen durch die hauptverantwortliche Lehrperson in das Biotop eingeführt, sodass alle Schüler/innen danach die Lernumgebung in den Biotoppausen eigenständig erkunden können.
- Do-it-yourself-Day (alle 3. Klassen)
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Alle dritten Klassen werden zwischen den Sportferien und Frühlingsferien eingeladen, am «Do-it-yourself-Day» teilzunehmen. An diesem Tag besteht unter anderem die Möglichkeit, sämtliche Forscherutensilien zu reinigen sowie Elemente der Lernumgebung zu erneuern oder instand zu setzen (z. B. das Forscherhaus, die Wildbienennisthilfen usw.).
- Wildbienen-Workshop (alle 4. Klassen)
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Die «Lernumgebung Biotop» wurde vor drei Jahren um den Wildbienen-Workshop erweitert. Für die 4. Klassen ist dieser Workshop fest im Jahresprogramm verankert. Zur Durchführung steht den Lehrpersonen eine didaktisch aufbereitete Materialbox zur Verfügung. Zusätzlich kann die hauptverantwortliche Lehrperson für die Durchführung gebucht werden.
- Individuelle Nutzung (alle Klassen)
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Das Biotop steht den Lehrpersonen das ganze Jahr über zur Verfügung und kann flexibel in den Unterricht eingebunden werden. Die Lernumgebung eignet sich für verschiedene Fachbereiche, etwa zum Verfassen von Geschichten im Deutschunterricht oder zum Schätzen und Messen von Grössen in Mathematik. Besonders gut eignet sich das Biotop auch für das Konzept «Draussen Unterrichten» oder für gewisse Angebote von Pusch – Praktischer Umweltschutz.
- Biotoppausen (alle Klassen)
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Von Frühling bis Herbst ist das Biotop in den grossen Pausen geöffnet. Begleitet und angeleitet von zugeteilten Lehrpersonen aus dem Kollegium können die Schüler/innen der 1. bis 6. Klassen das Biotop frei erkunden.
Organisation
- Arbeitsgruppe Umweltschule
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Die «Arbeitsgruppe Umweltschule» ist für alle umweltbezogenen Fragen innerhalb der Schuleinheit Sonnenberg verantwortlich. Ihre Aufgabe besteht darin, die Lernumgebung bestmöglich an die Bedürfnisse und Interessen der Schulgemeinschaft anzupassen und dabei auf ein kohärentes und harmonisiertes Vorgehen zu achten. Sie beschränkt sich nicht nur auf die interne Organisation, sondern koordiniert auch die Zusammenarbeit mit externen Partnern.
Diese besteht aus einer hauptverantwortlichen Lehrperson (HV), einer weiteren Lehrkraft aus dem Team sowie der Schulleitung. Die Gruppe trifft sich vier- bis fünfmal jährlich zum Austausch.
Die HV übernimmt die Koordination von Umweltprojekten (z.B. der Nutzung der Lernumgebung), stellt Unterrichtsmaterialien bereit, führt neue Lehrpersonen ein und stimmt sich mit dem Hausdienst ab. Zudem informiert sie das gesamte Kollegium regelmässig per «Wochenmail» über Neuigkeiten und bevorstehende Veranstaltungen rund um Umweltthemen. Für diese zusätzliche Aufgabe wird sie mit einer Lektion pro Woche entlöhnt.
- Externe Akteure
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Die hauptverantwortliche Lehrperson (HV) arbeitet eng mit dem Hausdienst zusammen, der auch für die Gartenarbeiten zuständig ist und über die Gemeinde finanziert wird. In regelmässigen Abständen pflegen Gärtner/innen das Biotop. Je nach Bedarf kann die HV weiteres Fachpersonal hinzuziehen, die sie in speziellen Fragen rund um das Biotop unterstützen (z. B. Wildbienennisthilfen).
Silviva, Draussen unterrichten
Pusch, Praktischer Umweltschutz - Didaktische Materialien
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Damit die Schüler/innen das vielfältige Leben im und um das Biotop beobachten, erforschen und entdecken können, steht ihnen ein Forscherhaus mit sämtlichen Beobachtungsutensilien wie Lupenbecher, Fischernetze und Wassereimer zur Verfügung.
Das Biotop hat sich besonders rund um das Thema «Wildbienen» weiterentwickelt: Es wurden eine Sandinsel für Wildbienen angelegt sowie drei Wildbienennisthilfen installiert. Dieses Thema wird didaktisch durch eine speziell aufbereitete Materialbox begleitet (siehe auch: WildBee.ch), die die hauptverantwortliche Lehrperson in gebuchten Workshops einsetzt oder die Lehrpersonen für ihren NMG-Unterricht ausleihen können.
Neu hinzugekommen ist zudem ein Gartenhochbeet, das individuell von einer oder mehreren Klassen bewirtschaftet werden kann. Auch dies bietet weitere spannende Beobachtungs- und Entdeckungsmöglichkeiten.
Pädagogische Methoden
- Forschend-entdeckendes Lernen
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Im Biotop stehen forschendes und entdeckendes Lernen im Mittelpunkt. Die Schüler/innen werden angeregt, eigene Fragen zu stellen, Beobachtungen zu machen und Hypothesen zu überprüfen – sei es bei der Tierbeobachtung, dem Pflanzenwachstum oder bei der Umsetzung kleiner Projekte. Im Forscherhaus stehen den Schüler/innen zudem Utensilien zur Verfügung (z. B. Fischernetze, Lupenbecher, Wassereimer usw.), welche sie zum Entdecken und Erforschen nutzen können.
- Biotoppausen
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Die Idee der Biotoppausen besteht darin, das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler mit dem Lernen zu verbinden. Diese Pausen bieten nicht nur eine Atempause, sondern auch eine pädagogische Öffnung hin zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Schüler/innen erhalten währen den grossen Pausen die Gelegenheit, das Biotop frei zu erkunden, kleine Entdeckungen zu machen oder einfach die Natur und Ruhe zu geniessen – stets begleitet und angeleitet von eingeteilten Lehrpersonen aus dem Kollegium.
- Klassen- und Schüler/innen-Rat
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Im Klassen- und gesamtschulischen Schüler/innen-Rat erhalten alle Schüler/innen die Möglichkeit, Ideen, Wünsche und Meinungen – unter anderem auch zum Biotop –einzubringen. So können sie aktiv zur Weiterentwicklung der Lernumgebung beitragen.
Beurteilung
Für die Arbeit am Biotop gibt es keine festen Beurteilungsformen. Die Bewertung erfolgt individuell, je nach Klassenprojekt und den definierten Zielen. Empfehlenswert ist eine prozessorientierte Beurteilung, bei der Engagement, Reflexion und Lernfortschritt im Mittelpunkt stehen. So werden verschiedene Kompetenzen sichtbar und wertgeschätzt, insbesondere in den Bereichen Selbstständigkeit, Zusammenarbeit und naturbezogenes Denken.
Herausforderungen für den/die Befragte/n
- Achtsamer Umgang mit der Natur
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Damit der Lernraum nachhaltig funktioniert, braucht es von allen Beteiligten – besonders von den Schüler/innen – Respekt, Rücksichtnahme und das Bewusstsein, dass es sich um einen sensiblen Lebensraum handelt. Diese Haltung muss kontinuierlich gefördert und gepflegt werden, sei es durch gezielte Anleitung, wiederholte Thematisierung im Unterricht oder durch Vorbilder im Schulalltag.
- Klimatische Veränderungen
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Aus Sicht der befragten Schüler/innen zeigen sich vor allem Herausforderungen, die auf klimatische Veränderungen zurückzuführen sind. So beobachteten sie, dass das Biotop schon im Frühling nur wenig Wasser enthält. Ursache seien die zahlreichen Sonnentage, die zu verstärkter Verdunstung führen, so die Schüler/innen. Um dem entgegenzuwirken, schlagen sie vor, eine Regenwassertonne aufzustellen, um bei Regen das Wasser zu speichern und bei Wasserknappheit das Biotop wieder zu befüllen.
Einfach umzusetzen ?
Der Erfolg der Lernumgebung «Biotop» ist keineswegs selbstverständlich, sondern erfordert Zeit, Engagement, Willen und eine institutionalisierte Organisation. Eine zentrale Rolle spielt dabei die «Arbeitsgruppe Umweltschule», die als treibende Kraft diesen Prozess massgeblich gestaltet und sich als empfehlenswertes Modell für andere Schulen anbietet, die Ähnliches umsetzen möchten.
Unentbehrlich für das Gelingen ist auch der Einbezug verschiedener Akteure wie Hausdienst, Gärtner/innen, Eltern, Schulleitung – vor allem aber der Schüler/innen. Wenn Sie an Ihrer Schule eine ähnliche Lernumgebung schaffen möchten, empfiehlt sich ein partizipativer Lern- und Entwicklungsprozess, bei dem die Schüler/innen und zentralen Akteure von Anfang an eingebunden werden. Dies steigert nicht nur die Lernmotivation, sondern reduziert auch Vandalismus und fördert ein stärkeres Verantwortungsgefühl.
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In Kürze
Sämtliche Gartenkosten laufen über die Gemeinde.