Team-Teaching
Die Freude am Lernen, die Selbstständigkeit und das gute Zusammenleben in der Klasse fördern

Kurzbeschrieb
Die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler in der Schweizer Primarschule zeigt sich in kulturellen, sprachlichen und sozioökonomischen Unterschieden. Im vorliegenden Beispiel sind 40 bis 50 % der Kinder fremdsprachig. Dies führt vor allem zu Beginn der ersten Klasse zu Herausforderungen für die Lehrpersonen. Das Lernniveau der Schülerinnen und Schüler ist sehr unterschiedlich und es kommt immer wieder zu Verständnisschwierigkeiten. Wie lässt sich in einem derart komplexen schulischen Kontext ein gutes Zeitmanagement mit einem qualitativ hochwertigen, auf jedes Kind zugeschnittenen Unterricht vereinbaren?
In Saxon haben sich drei Lehrerinnen (entspricht zwei Vollzeitstellen) für das Team-Teaching-Modell entschieden, um die pädagogische Qualität und die Organisation ihrer Klassen zu optimieren. In einem grossen Klassenzimmer lernen zwei 1.-2. Klassen mit insgesamt 42 Schülerinnen und Schülern nebeneinander. Trotz der grossen Anzahl an Kindern bleibt die Atmosphäre ruhig. Jede Klasse behält ihre eigene Identität, verbringt jedoch einen gewissen Teil der Zeit gemeinsam, damit die Schülerinnen und Schüler von unterschiedlichen und komplementären Unterrichtsmethoden profitieren können. Diese Zeit ist dem «guten Zusammenleben» gewidmet.
Bildungsziele
- Durch spielerische und konkrete Methoden die Neugier und die Freude am Lernen fördern
- Aufbau einer soliden Grundlage für besseres Lernen
- Förderung des Engagements und der Motivation der Schülerinnen und Schüler durch ein unterstützendes und sicheres Klassenklima
- Förderung der Selbstständigkeit, der gegenseitigen Unterstützung und der Zusammenarbeit unter den Schülerinnen und Schülern. Da die Lehrpersonen auf kooperative Weise gemeinsam unterrichten, leben sie ein Modell für ein «gutes Zusammenleben» vor.
- Entwicklung der sozialen und emotionalen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern (und Lehrerinnen und Lehrern) in einer Klasse mit einer grossen Diversität auf der Grundlage einer Vielzahl von pädagogischen Ansätzen
Besondere Stärken
Team-Teaching ermöglicht eine interaktivere, integrative sowie auf die Bedürfnisse der einzelnen Schülerinnen und Schüler zugeschnittene Pädagogik. Es fördert ein harmonisches sowie erfüllendes Lernen nicht nur der Schülerinnen und Schüler, sondern auch der Lehrerinnen und Lehrer untereinander.
- Förderung der Inklusion und der pädagogischen Differenzierung
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Mit Team-Teaching können die pädagogischen Ansätze diversifiziert werden, um den Bedürfnissen jedes einzelnen Kindes besser gerecht zu werden. Die Lehrpersonen können die Rollen wechseln: Sie sind nicht nur dazu da, die Klasse zu führen, sondern können auch begleiten, zuhören und auf die Bedürfnisse einer Schülerin oder eines Schülers oder einer kleinen Gruppe eingehen, während die andere Lehrperson sich um den Rest der Klasse kümmert. Ausserdem kann so einfacher draussen «naturorientiertes Lernen» unterrichtet werden.
- Modellierung kollaborativer und nachhaltiger Verhaltensweisen
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Team-Teaching basiert auf der aktiven Zusammenarbeit zwischen Lehrerinnen und Lehrern, aber auch zwischen Schülerinnen und Schülern. Team-Teaching-Lehrpersonen verkörpern für ihre Schülerinnen und Schüler ein Modell für kollaboratives Verhalten. Sie wenden die Prinzipien der Bildung für Nachhaltige Entwicklung wie Denken in Systemen, Partizipation sowie kreatives und innovatives Denken im Alltag an. Der Team-Teaching-Ansatz hilft den Schülerinnen und Schülern direkt und indirekt, wichtige Fähigkeiten zu entwickeln, die notwendig sind, um die globalen Herausforderungen wie die Bekämpfung von Ungleichheiten und Klimaveränderungen zu bewältigen. Dies geschieht, indem den Schülerinnen und Schülern gezeigt wird, wie man zusammenarbeitet, Verantwortung teilt und Probleme gemeinsam löst.
- Einen systemischen Ansatz zum Lernen fördern
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BNE zielt darauf ab, das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen verschiedenen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten zu fördern, indem BNE-Kompetenzen wie Partizipation, Denken in Systemen sowie fächerübergreifende und interdisziplinäre Ansätze entwickelt werden. In ähnlicher Weise beruht auch Team-Teaching auf der gegenseitigen Nutzung des Wissens, der Fähigkeiten und der Kompetenzen der Lehrkräfte, um fächerübergreifende und interdisziplinäre Ansätze zu verfolgen.
- Eine Haltung einnehmen, die ein gemeinschaftliches und harmonisches Lernen fördert
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Beim Team-Teaching geht es darum, voneinander zu lernen, eine andere Art des Unterrichtens anzuschauen und seine eigene Haltung anzupassen. Es ist sinnvoll, gemeinsam die eigene Praxis im Sinne der beruflichen Entwicklung zu hinterfragen und zu reflektieren. Das Team-Teaching ermöglicht es, sich über Probleme auszutauschen und gemeinsam Lösungen zu finden, da mehrere Blickwinkel, Erfahrungen oder Empfindungen aufeinandertreffen. Beispielsweise sind die Übergänge zwischen den Aktivitäten im Rahmen des Team-Teaching untrennbar mit der Haltung der Lehrkraft verbunden.
- Gegenseitige Unterstützung bei der Bewältigung der täglichen Herausforderungen im Unterricht
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Team-Teaching ermöglicht es Lehrerinnen und Lehrern, sich während der Unterrichtszeit auf ihre Partnerin oder ihren Partner zu verlassen, wenn sie sich angesichts einer schwierigen Situation hilflos fühlen. Ausserdem können sie sich bei der Schülerverwaltung und bei Elternabenden beraten lassen und sich bei Aufgaben auf das gemeinsame Gedächtnis stützen.
- Förderung der täglichen Kreativität im Klassenzimmer
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Kreativität im Klassenzimmer betrifft nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Lehrerinnen und Lehrer. Im Team-Teaching werden Lehrmethoden, didaktische Entscheidungen und Projekte ständig zu zweit diskutiert, was die Entstehung divergierender und origineller Ideen fördert. Diese Zusammenarbeit bereichert das Denken und ermöglicht es, innovative Ansätze zu erforschen, die den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht werden.
Planung und Durchführung
- Im Vorfeld des Projekts
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- Lehrerinnen und Lehrer treffen, die für das Team-Teaching motiviert sind
- Die Praxis des Team-Teaching testen
- Einen Bericht verfassen, in dem das Projekt erklärt wird
- Das Projekt von der Schulleitung genehmigen lassen und die vorgesetzte Behörde (Inspektor/in) zu einer Präsentation einladen
- Die Zustimmung der Behörden erhalten, um das Projekt zu starten
- Drei Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften
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- Pro Klasse: Jede Lehrkraft unterrichtet ihre eigene Klasse.
- Im kleinen Plenum: Gruppierung nach Klassenstufen oder Kompetenzen, wobei eine Lehrkraft eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern betreut
- Im grossen Plenum: gemeinsame Intervention der beiden Lehrkräfte. Im Wechsel gibt eine Lehrkraft die Anweisungen entsprechend ihren Fachkenntnissen, während die andere Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler beobachtet und auf ihre besonderen Bedürfnisse eingeht.
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Wie sieht der Tagesablauf mit den Schülerinnen und Schülern aus?
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Grundsätzlich wird das Team-Teaching wie folgt aufgeteilt:
- Der Tag beginnt mit einer separaten Begrüssung durch jede Lehrperson mit ihrer Klasse.
- Die Lehrperson A leitet die zwei Klassen.
- Die Lehrperson B leitet eine Aktivität oder einen Workshop in einer kleinen Gruppe (5-6 Schülerinnen und Schüler).
- Die Lehrperson B kann ohne Unterbrechung in kleinen Gruppen arbeiten.
- Die Lehrperson A kümmert sich um alle Beiträge der Schülerinnen und Schüler, die sich nicht auf die Aktivität in der Kleingruppe beziehen.
- Am Ende eines Halbtages oder eines Tages erzählt jede Lehrperson ihrer eigenen Klasse eine Geschichte.
Für die Begrüssung bleibt jede Lehrperson mit ihrer Klasse in ihrem eigenen Raum. Dann treffen sich alle Schülerinnen und Schüler der zwei Klassen auf der Linie des roten Kreises (ein Bereich, der für Aktivitäten gedacht ist, die alle Schülerinnen und Schüler zusammen durchführen, siehe Bild unten). Anschliessend können die Schülerinnen und Schüler nach Stärkegruppen oder Kompetenzstufen eingeteilt werden, insbesondere beim Lesen oder Rechnen.
Organisation
- Team
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Das pädagogische Basisteam besteht aus zwei Vollzeitlehrpersonen. Es kann sich auch um eine Lehrperson mit 100 % und zwei Lehrpersonen mit je 50 % handeln.
Im vorliegenden Fall sind drei Lehrerinnen am Projekt beteiligt. Tatsächlich ermöglicht eine Person mit einem 100%-Pensum (Lehrerin A) die Informationsweitergabe zwischen den Kolleginnen. Zwei pädagogische Duos würden das Risiko bergen, zwei voneinander unabhängige Einheiten zu bilden. Lehrerin B arbeitet im Duo mit Lehrerin C. Sie teilen sich eine 100%-Stelle (Montag–Dienstag: Lehrerin B und Donnerstag–Freitag: Lehrerin C). Lehrerin C ist im Laufe des ersten Jahres/im zweiten Semester zum Projekt gestossen, während des Mutterschaftsurlaubs von Lehrerin B. - Pädagogische Organisation: eine für Team-Teaching geeignete Haltung der Lehrkraft
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- Klare und explizite Routinen oder Rituale einführen: Das Vorhandensein von Routinen und Klassenregeln, die von den Lehrkräften geteilt werden, schafft ein stabiles Umfeld, in dem die Kinder wissen, was sie zu erwarten haben.
- Akzeptieren, loszulassen und nicht alles verwalten zu können
- Die gleiche Vorstellung von Pädagogik haben (wechselnde Workshops, freie Spiele, persönlicher Empfang, alle in ihren Klassen)
- Die gleiche Haltung, die gleichen Erwartungen, Regeln und Anforderungen haben
- Die Fähigkeiten jedes Einzelnen hervorheben und darauf aufbauen
- Sich über die Verteilung von Aufgaben und Aktivitäten entsprechend den Interessen und Kompetenzen der einzelnen Lehrkräfte verständigen
- Organisation von Räumen
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Lehrerinnen und Lehrer können den Raum so organisieren, dass die Schülerinnen und Schüler sich leichter bewegen können und während der Aktivitäten konzentriert bleiben.Ein idealer Raum für Team-Teaching sollte über Folgendes verfügen:
- ein grosses Klassenzimmer (siehe oben)
- einen Raum in der Nähe der anderen Infrastrukturen (Turnhalle, Bibliothek, Büro der Schulleitung, Lehrerzimmer, Pausenhof usw.)
- eine Garderobe, mehrere Toiletten und eine kleine Küche.
Das grosse Klassenzimmer sollte über verschiedene Bereiche verfügen:
Eine Begrüssungsecke für jede Klasse auf der jeweils gegenüberliegenden Seite, weitere kleine Bereiche, die für verschiedene Workshops und freies Spiel vorgesehen sind und ein mit einer roten Linie abgegrenzter Bereich für Aktivitäten, die alle Schülerinnen und Schüler zusammenführen.
- Kommunikations- und Planungsinstrumente für Team-Teaching
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- Eine Gruppe in einem Messenger-Dienst (Threema, Signal, WhatsApp usw.) erstellen.
- Gemeinsames Planen mit einem Software-Tool (Lemon Squeezy usw.).
Pädagogische Methoden
- Hybridisierung der Aktivpädagogik
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Rückgriff auf verschiedene alternative Strömungen aus Vergangenheit und Gegenwart:
- Arbeitsweise in Workshops oder Gruppen
- Lernen durch Spiel und unterstütztes freies Spiel (Ref: Alison Gopnik)
- zahlreiche pädagogische Methoden, die sich auf die Forschungen zum divergenten Denken stützen, um die Kreativität und Innovation der Schülerinnen und Schüler zu fördern
- die Naturpädagogik
- die Pädagogik von Maria Montessori
- Team-Teaching
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Nach der Definition von Lynn Cook und Marylin Friend (2010) handelt es sich beim Team-Teaching um «Zwei oder mehr Fachkräfte, die einer vielfältigen oder gemischten Schülergruppe in einem einzigen physischen Raum einen inhaltlichen Unterricht erteilen». Team-Teaching ist also die Zusammenarbeit von mindestens zwei Lehrkräften in einem Klassenzimmer, die sich nicht nur die gleichen Lerngegenstände teilen, sondern auch die Verantwortung für die gemeinsame Planung, die gemeinsame Anleitung und die gemeinsame Bewertung der Schülerinnen und Schüler.
Quelle: Marilyn Friend, Lynn Cook, Interactions: Collaboration skills for school professionals, Columbus, 2010.
Beurteilung
Jede Lehrkraft bringt ihre eigenen Ideen, Prioritäten und Bedürfnisse ein, was eine Dynamik des Austauschs und des ständigen Experimentierens fördert. Durch die regelmässige Bewertung der didaktischen Entscheidungen (Inhalte und Methoden) bei den Schülerinnen und Schülern können die Praktiken an die beobachteten Ergebnisse und die zu erreichenden Ziele angepasst werden. Diese Flexibilität steigert die pädagogische Wirksamkeit und regt zu einem kooperativeren und kreativeren Lernen an.
Herausforderungen für den/die Befragte/n
- Die Herausforderungen von Vertretungen und Praktika
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Vertretungen oder Praktika können schwierige Situationen mit sich bringen, was die Erwartungen, die Klassenregeln, die Positionierung der Lehrkraft, der Praktikantin oder des Praktikanten, die Klassenführung oder die Verwaltung betrifft. Team-Teaching erfordert von den beteiligten Personen eine grosse Anpassungsfähigkeit bezüglicher der Haltung und der pädagogischen Methoden. Zudem ist ein schnelles Verständnis der Funktionsweise des Team-Teaching in der Klasse notwendig.
- Die zeitliche Herausforderung bei der Planung von Team-Teaching
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Die Planung von Aktivitäten im Team-Teaching erfordert oft mehr Zeit für die Vorbereitung und Koordination der vielfältigen Aufgaben.
- Der Mangel an Weiterbildung
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Auch wenn Team-Teaching immer häufiger vorkommt, haben nicht alle Lehrerinnen und Lehrer eine spezielle Ausbildung erhalten, um eng mit einer anderen Lehrperson zusammenzuarbeiten. Diese mangelnde Vorbereitung kann zu Missverständnissen über die Rollenverteilung und die Erwartungen führen. Dies insbesondere, wenn eine Lehrperson weniger Erfahrung im Team-Teaching hat oder keine Gelegenheit hatte, effektive kollaborative Strategien zu entwickeln. So kann ein Mangel an Weiterbildung die Wirksamkeit dieses pädagogischen Ansatzes einschränken.
Einfach umzusetzen ?
Team-Teaching ist eine pädagogische Methode, die sich besonders gut für BNE eignet, da sie die für BNE zentralen Werte wie Kooperation, aktive Partizipation, Inklusion und gemeinsame Verantwortung verkörpert. Sie bietet Schülerinnen und Schülern, aber auch Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit, BNE-Grundsätze (Perspektivenvielfalt, Partizipation, Verknüpfung der verschiedenen Dimensionen usw.), durch konkrete und kollaborative Praktiken im Unterricht zu verstehen und zu erproben.
Die Umsetzung dieses Projekts erfordert jedoch ein starkes institutionelles Engagement. Die Zustimmung und Unterstützung der Schulleitung und der Schulaufsichtsbehörde sind für den Erfolg des Team-Teaching unerlässlich. Dies bedeutet unter anderem, dass die Arbeitszeit angepasst, geeignete Ressourcen zur Verfügung gestellt und die Zusammenarbeit von Lehrkräften anerkannt werden muss.
Spezielle Schulungen und der Austausch von Best Practices unter Kolleginnen und Kollegen können die Wirksamkeit dieses Ansatzes ebenfalls erhöhen und seine Nachhaltigkeit sicherstellen.